Dienstag, 8. März 2011

ICH und DU - ohne Dich

 
Acrylbild  SCHWARZ und WEISS, Weeke Miriam Denise

Die Mitmach-Ausstellung ICH und DU im Berliner Poesie-Frühling ist angelaufen. Das Gemälde "Schwarz und Weiß" zieht die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Auf dem Bild suchen zwei Menschen unterschiedlicher Hautfarbe gemeinsam nach einem neuen Rhythmus für diese Erde. Das Publikum freut die Idee des dabei liegenden Albums, in dem jeder mit Worten und Bildern poetisch experimentieren darf.


das Mitmach-Poesie-Album ICH und DU

Gleich zu Anfang des Albums findet sich ein Beitrag von Wolfgang Welsch (Schriftsteller, Publizist), der heißt „Ohne Dich“. Bei dieser Überschrift stellte ich mir zunächst vor, wie es ist ohne den anderen zu sein. Wie mager ist unser Leben ohne eine liebevolle Geste an den Nächsten, ohne einen gleichberechtigten Austausch?
Wolfgang Welsch wendet sich in seinem Gedicht an die Gerechtigkeit. Wo bleibt sie, die Gerechtigkeit, auf die so viele Menschen hoffen? Sie, die Gerechtigkeit ist es, die Frieden und Sicherheit schaffen kann. Und doch hält sie sich verborgen. Dieses Gedicht flüstert den gleichen Unterton, den ich auch bei Albrecht Haushofer und Wolfgang Borchert herausfühle. Die stille Klage gegen Diktatur und Folter, der einsame Schmerz im Kampf um die Freiheit, die Zerrissenheit zwischen Hoffnungslosigkeit und Vision für eine bessere Welt. Sein Gedicht ist erschienen in „Klage. Gedichte gegen die Diktatur“ im Schwarzbuch-Archiv Verlag Schwerin, 2000. Welsch weiß wie kaum ein anderer von der Unmenschlichkeit künstlicher Mauern und Grenzen zu berichten. Als Republikflüchtling gefoltert und verurteilt, wurde er vom Westen freigekauft. Er agierte von dort aus als Helfer für DDR-Flüchtlinge, und zwar so erfolgreich, dass ihn die Staatssicherheit der DDR auf ihrer Todesliste ganz oben schrieb. Sein von Ungerechtigkeit und Verrat geprägtes Leben beschreibt Welsch in seinem autobiographischen Buch „Ich war Staatsfeind Nr.1“, ein Buch, welches man zur Gedenkfeier „50 Jahre Berliner Mauer“ gelesen haben sollte.

In dem Album steht dem Gedicht von Welsch ein beeindruckendes Gemälde des jungen afrikanischen Künstlers Département N´dah gegenüber. Es zog bereits im Oktober 2010 in der Ausstellung (Alp)traum Europa, Heilandskirche Berlin-Moabit, das Interesse der Zuschauer auf sich. Das Bild beschreibt die Situation eines Migranten, dem es gelingt, die Mauer, die die Weißen den Schwarzen gegenüber errichtet haben, zu durchbrechen. Voller Zweifel, Einsamkeit, Hoffen und Angst steht er im Niemandsland, an dessen Ende sich die nebelig-graue Silhouette europäischer Hochhäuser zeichnet. Das Bild besticht durch seine lebendigen gelb-orange-roten Farben, die an einen Sonnenaufgang erinnern. Doch scheint die Sonne wirklich für diese Menschen, die ihr Land verlassen müssen, um in der europäischen Fremde eine neue Bleibe zu finden?

Poesie ist der stille Moment, der auch in der Begegnung zwischen den Menschen aktiv sein möchte, in der Mitte von ICH und DU. Dieser Stille Augenblick kann nur in der Mitte von Gerechtigkeit existieren. Gerechtigkeit kennt keine Mauern.

Ich danke Departement N´dah und Wolfgang Welsch für ihre wunderbaren Beiträge zu dem Projekt ICH und DU im Poesie-Frühling Berlin.

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