Donnerstag, 28. April 2011

ICH und DU - Poesie

Als ich Christel Gbaguidi, 31 J. aus Benin, im Oktober 2010 kennen lernte, spürte ich bald, dass unsere Herzen von ähnlicher Vision getragen sind – eine Welt in Vielfalt und Freiheit. Diese Vision war der Zündfunke für unser Poesieprojekt ICH und DU. Wir wollten den poetischen Augenblick auf die zwischenmenschliche Begegnung übertragen und so die Begegnung selber zur Poesie werden lassen.
„Poesie ist, wenn Menschen sich in den selben Traum begeben, zusammen sitzen und arbeiten, um Berge zu versetzen, Mauern zu durchbrechen und Licht zu bringen“, sagte Christel Gbaguidi. Mit einem Gemälde und zwei Gedichten auf Französisch und Deutsch, wollten wir Menschen aufmerksam machen auf das Thema Afrika – Europa. Es sollte nicht nur um die Beziehung der beiden Kontinente gehen, sondern auch um gemeinsame Themen, wie etwa Diktatur oder Flucht. In der poetischen Begegnung von Menschen sollte Sprache kein Hindernis sein. Denn „Poesie ist für mich, wenn Kulturen unterschiedlicher Sprache einen gemeinsamen Rhythmus finden.“
Damit Begegnung ohne Sprachbarrieren möglich würde, fügten wir unserer Idee ein Poesie-Album ein, an dem sich alle Interessierten mit einem eigenen Beitrag beteiligen konnten. Viele europäische und afrikanische Künstler aller Generationen trugen mit Gedichte in verschiedenen Sprachen, Gemälde und Fotos zum guten Gelingen des Projektes bei. Das Album zeigt wie nah sich die Menschen in ihren Empfindungen sind ganz unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Religion, Alter. Sie lieben ihre Mutter Erde. Sie wünschen sich den Frieden und Freiheit für alle Menschen. Sie mögen alle keinen Krieg und kein zwanghaftes Verlassen-müssen der Heimat. Die Beiträge im Album stehen nicht für sich alleine, sondern sie antworten aufeinander und gehen miteinander in den Dialog. Und damit war diese Projekt für uns erfolgreich. Denn der poetische Augenblick in der zwischenmenschlichen Begegnung kann nur im stillen Moment des Dialoges erblühen. Besonders erfreulich war, dass sich viele junge Menschen im Alter von vierzehn bis zwanzig Jahren beteiligt haben, sowohl Europäer als auch Afrikaner. Das zeigt uns, wie sehr junge Menschen den Ausdruck von Harmonie, Schönheit, Authentizität, Wahrhaftigkeit in der zwischenmenschlichen Begegnung schätzen.
Mit den Flüchtlingsströmen aus Tunesien und der Tsunami-Katastrophe in Fukushima war unser Projekt hochaktuell. Diese Bilder fordern Solidarität und Mitgefühl geradezu heraus. Sie machen aber auch deutlich, wie wichtig die Entwicklung eigener Standpunkte und eigener Verantwortung ist. Möglicherweise war diese Aktualität ein Grund, warum sich Autoren wie Michael Augustin, Günter Grass und Wolfgang Welsch für unsere Idee gewinnen ließen. Sie beteiligten sich spontan mit wunderbaren Beiträgen an dem Projekt ICH und DU.
Freiheit und Menschlichkeit geht jeden etwas an. Und sie sind Voraussetzung für den poetischen Augenblick in der zwischenmenschlichen Begegnung, für den stillen Moment zwischen dem ICH und dem DU, der offen ist für ein gefühltes WIR.
Poesie-Ausstellung im Cafe Moab, Berlin